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Wie beginne ich eine Taiji-Lektion oder das «Stimmen des Instruments»

04. Juli 2021

Renata Mäusli interviewt Cate Wallis

Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich Regeln und Konzepte nicht wirklich mag, aber es ist mir wichtig, dass die Prinzipien eingehalten werden. Die Beachtung der Grundlagen ist unerlässlich!

Regeln in sich selbst zu haben, ist bereits eine mentale Sache. Diese Geschichten werden im Kopf gemacht und daher fehlt die Verbindung mit dem Rest des Körpers.

In der indischen Musik, die eine weitere meiner Leidenschaften ist, ist das Stimmen des Instruments genauso wichtig wie das Konzert. Wenn man das Instrument stimmt, ist man schon in der Musik! In der Kalligrafie oder der chinesischen Malerei, die ich auch gerne praktiziere, ist das Vorbereiten der Tusche bereits Kalligrafie.

Es gibt nur einen Weg und ich lasse mich von vielen verschiedenen Repertoires inspirieren... Im Taijiquan, Yoga, Shiatsu und anderen ist der Körper immer derselbe...

Ich beginne das "Stimmen des Instruments" in der Regel mit der Arbeit am Boden. Während dieser besonderen Zeit, die wir im Moment durchmachen, wird Taijiquan nur draussen geübt. Wir sind also immer auf zwei Beinen. Es gibt Entspannungsübungen, die man daher nicht machen kann, und das vermisse ich dann beim Training.

Beim Aufwärmen mag ich die Abwechslung. Und manchmal überrasche ich mich selbst... Mein Körper bewegt sich, und ich frage mich, woher das kommt!

Die Grundbestandteile des Aufwärmens sind:

Die Atmung: zum Beispiel die Atmung in den 3 Kammern. Die Aufmerksamkeit entwickeln für das "Wo?" und das "Wie?". Das gebe ich weiter, obwohl ich nicht weiss, was das Beste ist ..., weil es individuell und zeitlich unterschiedlich ist ....

Was auch immer Du tust, in erster Linie geht es darum, bewusst zu sein und präsent zu sein, also zuzuhören. Wenn man sich damit verbindet, folgt man nicht den Regeln, sondern der Energie des Augenblicks!

Die Einhaltung der Grundprinzipien ist:

- Präsent sein, Hier sein, ...

- Wie stehst Du in deiner Mitte?

- Wie ist deine Achse?

Mit den Händen und Füssen arbeiten und dabei die Beziehung zwischen beiden spüren. Das bringt das Gefühl für die Verwurzelung und ihre Verbindung mit der Erde.

Teile von Bewegungsabläufen einbringen, Gelenke/Körper öffnen und schliessen. Selbstmassage und Bewegung integrieren durch Schütteln und Drehen der Körperteile.

Das Aufwärmen ist umso wichtiger, weil die Menschen ihren Körper zu wenig wahrnehmen. Zu oft wollen sie Regeln befolgen, was sie daran hindert, sich in ihren Körper zu vertiefen. Es ist sehr selten, Menschen zu begegnen, die ihren Körper einfach bewegen lassen können, ohne dass der Verstand eingreift.

Sich aus der Mitte und nicht aus den Schultern (oder dem Oberkörper) heraus bewegen zu lassen, ist ein weiteres Prinzip.

Es gibt unendlich viele Variationen rundum eine Bewegung. Die Wiederholung von Bewegungen kann ebenso gefährlich wie interessant sein. Alles, was nicht verändert werden kann, wird tot. Es ist eine heikle Balance zwischen Wiederholung und Variation!

Was mich interessiert, ist die Form zu brechen, um sie wiederzufinden!

Diszipliniertheit beim Lernen ist äusserst wichtig, aber auch Kreativität ist wichtig. Die Wissenschaft von Yin & Yang fordert uns auf, beides zu entwickeln: Strenge / Lernen und Kreativität.

Die Bewegungen und Übungen, welche die Menschen geniessen, sind nicht unbedingt das, was sie für ihr Wohlbefinden brauchen. Wir sollten dorthin gehen, wo wir nicht gerne hingehen, natürlich unter Beachtung des Gleichgewichts und ohne masochistisch zu werden.

Eine der Hauptbewegungen in den Aufwärmübungen, die ich vorschlage, ist die Lockerung der Lendenwirbel, des Kreuzbeins: das ist die allererste Spirale des Taijiquan.

Die Aufmerksamkeit und die Präsenz bleiben auf der Ebene des Dammes, den man vorwärts oder rückwärts bewegt. Vom Damm aus schwingt die Bewegung nach oben in die Wirbelsäule: wir zünden den Heizungskessel an (1. Chakra).

Drehbewegungen werden in allen Gelenken des Körpers ausgeführt (zum Beispiel im Nacken, in den Schultern, im Kiefer).

Das Stimmen des Instruments erfolgt zunächst nur grob, dann geht es immer feiner weiter. Indem wir uns auf die Gewichtsverlagerung einlassen, beginnen wir bereits zu spielen (1. Teil) und das Üben wird subtiler. Das Hören auf das Gewicht, das Hören auf die Struktur kann auf viele verschiedene Arten erfolgen. Wenn man auf das Gewicht und die Struktur hört, verankert sich der Oberkörper auf den Unterkörper.

Ich sehe Menschen, die sich sammeln müssen, und andere, die sich weiten müssen. Ich unterstütze sie in dieser Bewegung, indem ich beide Seiten anbiete!

Was ich an indischer Musik mag, ist die Tradition und die Tiefe dieser Kunst. Es geht hier nicht um das Gutwerden! Das Gleiche gilt für das Taiji; es ist eine Reise, die man jeden Moment geniessen kann.

Ich sehe zwei Möglichkeiten, sich zu bewegen:

- wir bewegen die Energie;

- es ist die Energie, die mich in einer Form bewegt, die eine grosse Strenge hat;

...und das grosse Taijiquan wird sehr diskret und bescheiden. Indem man vom Kopf in sein Zentrum (das Dantian) hinabsteigt, ist es weniger die Persönlichkeit, die sich bewegt, sondern der Körper.

"Nichts werden - niemand werden" führt dazu, dass ich mich in den Dienst dieses fragilen Gleichgewichts stelle und nicht das Gleichgewicht reguliere!

Daher meine Bewunderung für den Taijiquan-Grossmeister Chen Xiaowang, der im Dienste des Taijiquan steht und der sich nicht wie der König des Taijiquan bewegt!

Renata: Ich danke Cate, dass sie mir einen Moment in aller Einfachheit gewährt hat, um uns einige Worte über ihrer Art des "Stimmens" mitzugeben.

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